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Lösungsorientierte Beratung
Leon Pobuda · Zuletzt aktualisiert: 14. Oktober 2022
Allgemein · 7 Min. Lesedauer
Inhaltsverzeichnis
Die Lösungsorientierte Beratung oder auch Lösungsorientierte Kurzzeittherapie sorgte in der Psychotherapie für einen Paradigmenwechsel und hat das Coaching nachhaltig beeinflusst. Inspiriert von ihren Grundsätzen und Annahmen gilt die Lösungsorientierte Beratung als eines von mehreren zugrundeliegenden Konzepten im Coaching.
Definition: Was ist die Lösungsorientierte Beratung?
Die Lösungsorientierte Beratung oder auch Lösungsorientierte Kurzzeittherapie (engl. Solution Focused Brief Therapy; SFBT) ist eine Form der Beratung bzw. Gesprächstherapie, die sich aus der Kurzzeit-Familientherapie (de Shazer, 1982) entwickelt hat. Der Ansatz, der mittlerweile auch im Coaching zum Einsatz kommt, ist auf Steve de Shazer und seine Ehefrau Insoo Kim Berg zurückzuführen.
Die Lösungsfokussierte Kurzzeittherapie stellt einen Paradigmenwechsel gegenüber der traditionellen Psychotherapie dar. Denn bis dahin konzentrierten sich fast alle Psychotherapieansätzen seit Freut auf die Problembildung und Problemlösung. Die Lösungsorientierte Beratung fokussiert sich hingegen auf mögliche Lösungen für das aktuelle Problem und ignoriert die Analyse der Ursachen.
Grundannahmen der Lösungsorientierten Beratung
„Problemtalk creates problems. Solutiontalk creates solutions.” (Steve de Shazer)
Die Lösungsorientierte Beratung geht davon aus, dass eine Fokussierung des Problems hinderlich ist, um Lösungen zu finden. Stattdessen sollte mithilfe von spezifischen Gesprächs- und Fragetechniken die Lösungsfindung thematisiert werden. Dementsprechend bilden drei Grundannahmen das Fundament der Lösungsfokussierten Beratung:
- Lösung und Problem sind voneinander unabhängig.
- Es ist günstig, wenn der Klient die Lösung selbstständig findet und entdeckt.
- Der Klient trägt alle Ressourcen in sich, um das Problem zu lösen.
3 Leitsätze der Lösungsorientierten Beratung
In der Lösungsorientierten Beratung gibt es drei Grundprinzipien:
- Repariere nicht, was nicht kaputt ist!
- Wenn etwas funktioniert, mache mehr davon!
- Wenn etwas trotz vieler Anstrengungen nicht funktioniert, wiederhole es nicht. Mach etwas anderes!
Ablauf der Lösungsorientierten Beratung
Der Ablauf der Lösungsorientierten Beratung folgt, wie im obigen Bild dargestellt, 3 Schritten. Zunächst wird geklärt, was der Klient will. Also welches Ziel will er erreichen? Danach begeben sich Coach und Klient auf die Suche nach den Ressourcen des Klienten. Welche Möglichkeiten hat der Klient, um sein Problem zu lösen? Abschließend werden die nächsten Schritte definiert, damit der Klient ins Handeln kommt.
Die Wunderfrage in der Lösungsorientierten Beratung
Die Wunderfrage ist die bekannteste Frage, die in der Lösungsorientierten Beratung vertreten ist und gilt schon regelrecht als Klassiker. De Shazer berichtet, dass der Auslöser eine verzweifelte Aussage eines Klienten über sein Problem gewesen ist: „Vielleicht kann da nur noch ein Wunder helfen“.
Das hervorragende an der Wunderfrage ist, dass diese die Aufmerksamkeit des Klienten weg von seinem Problem hin zu einer möglichen Lösung richtet. Die Frage kann nach Belieben an Kontext und Klienten angepasst und verändert werden. Die Wunderfrage lautet folgendermaßen:
„Angenommen eines Nachts passiert ein Wunder, und während Sie schlafen, wird Ihr Problem gelöst: Was wäre am nächsten Morgen anders, woran Sie merken würden, dass ein Wunder geschehen ist?“
Anschließend erweitert der Coach den Radius der Veränderung:
Stellen Sie sich möglichst präzise vor, was genau anders wäre:
- Beim Frühstück?
- Beim Anziehen
- Auf dem Weg zur Arbeit?
- Woran würden andere Personen eine Veränderung bemerken, z.B. Ihr Freund, Ihr Partner, Ihr Chef, etc.?
- …
Fragen in der Lösungsorientierten Beratung
Die Lösungsorientierte Beratung versucht sich auf Lösungen zu fokussieren, indem sie nach den Wünschen, Zielen, Ressourcen und Ausnahmen, in denen das Problem nicht vorhanden ist, fragt:
- Woran erkennen Sie, dass Sie auf dem richtigen Weg sind?
- Welche drei Schritte müssen Sie als nächstes gehen?
- Wen können Sie um Hilfe bitten?
- Wer ist für den Erfolg besonders wichtig?
- Wann lief oder läuft es gut?
- Welche Herausforderungen konnten Sie bereits lösen?
- Was ist für einen reibungslosen Ablauf notwendig?
- Welcher Ihrer Stärken, können Sie hierfür nutzen?
- Wann tritt Ihr Problem nicht auf?
- Wie haben Sie ähnliche Hürden früher überwunden?
- Was ist die Veränderung, die Sie erreichen möchten?
- Was wäre möglich, wenn die Veränderung schon passiert wäre?
- Woran würden Sie ganz konkret merken, dass Sie die Veränderung erreicht haben?
- Angenommen, die Ihnen wichtigen Menschen in Ihrer Umgebung wüssten nicht, dass Sie Ihre Veränderung erreicht haben: Woran könnten Sie es trotzdem merken?
Kritik an der Lösungsorientierten Beratung
Greif (2021) kritisiert, dass die Lösungsfokussierte Beratung nicht für alle Klienten und alle Probleme geeignet ist. Vielmehr ist die Lösungsorientierte Kurzzeittherapie eine Methode, die den Klienten bei einer eigenen Lösungsfindung unterstützt, wenn sie über das erforderliche Lösungswissen verfügen und wenn angemessene Lösungen nicht durch Fixierungen blockiert sind:
Ungeeignet für das mehrmalige Wiederholen bei einer Person
Die Wunderfrage der Löungsorientierten Beratung analysiert die zur Lösung führenden Schritte von hinten und führt dadurch zu „Aha-Momenten“. Diese Problemlösetechnik ist jedoch ungeeignet, wenn sie bei mehreren Problemen von einem Klienten wiederholt angewendet wird. Denn durch das mehrmalige Wiederholen ist davon auszugehen, dass die Überraschungsmomente kaum noch erzielt werden. Hierfür erscheint es vorteilhafter mit der klassischen Working-backwards-Problemlösetechnik (Anthony, 1966) weiterzuarbeiten.
Wunderfrage kann missverstanden werden
Die Wunderfrage kann falsch aufgegriffen werden, weil die Frage impliziert, dass ein Wunder geschieht oder geschehen muss, um das Problem zu lösen. Dementsprechend kann der Klient davon ausgehen, dass sich das Problem von selbst löst.
Unbestätigte Grundannahme, dass Personen das gesamte erforderliche Lösungswissen verfügen
Zum jetzigen Zeitpunkt fehlen Untersuchungen zur Grundannahme der Lösungsorientierten Beratung, dass alle Klienten über das gesamte erforderliche Lösungswissen verfügen. Da sich Menschen in ihrem Lösungswissen und ihrer Kreativität bei der Lösungsentwicklung unterscheiden, kann das Vorgehen eine echte Herausforderung darstellen. Zum Beispiel, wenn dem Klienten keine geeignete Lösung einfällt oder wenn er eine Lösung umsetzen will, die nicht funktioniert oder sogar kontraproduktiv ist.
Verbot Lösungsvorschläge zu geben fraglich
Die Annahme der Lösungsorientierten Beratung, dass Vorschläge vom Coach oder vom Therapeuten problematische Nebenwirkungen haben, sind fragwürdig. So widerspricht das Verbot den bis gut bestätigten Annahmen und Untersuchungsergebnissen der Gestaltpsychologie, wonach erforderliche Umstrukturierungen zur Lösung von Problemen oftmals zumindest kleine Impulse erfordern (Greif & Riemscheinder-Greif, 2018).
- Anthony, W. S. (1966). Working backward and working forward in problem-solving. British Journal of Psychology, 57(1-2), 53–59.
- de Shazer, S. (1982). Patterns of brief family therapy: An ecosystemic approach. New York: Guilford Press.
- Greif. (2021). Was ist Coaching?: Wissenschaftliche Grundlagen und praktische Methoden. Osnabrück: BoD.
-
Greif, S., & Riemenschneider-Greif, F. (2018). Wie im Coaching neue Einsichten entstehen – Anregungen für eine theoriegeleitete Erforschung innerpsychischer Prozesse. In R. Wegener, M. Loebbert, A. Fritze, & M. Hänseler (Eds.), Coaching-Prozessforschung (pp. 116–140). Vandenhoeck & Ruprecht.
Leon Pobuda
Psychologe & Coach
Herr Pobuda ist Experte für Business Coaching, Health Coaching & Life Coaching
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