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Das SORKC-Modell von Frederick Kanfer

Leon Pobuda · Zuletzt aktualisiert: 21. Oktober 2022

Allgemein · 7 Min. Lesedauer

SORKC-Modell

Das SORKC-Modell ist ein psychologisches Modell aus der Verhaltenstherapie, um unser Verhalten zu analysieren. Dabei spielen vor allem unsere Verhaltenskonsequenzen eine wichtige Rolle, weil diese unser Verhalten belohnen oder bestrafen und wir dementsprechend lernen unser Verhalten aufrechtzuerhalten. Darüber hinaus bietet die Verhaltensanalyse vom SORKC-Modell einen Ansatzpunkt, um das menschliche Verhalten zu verändern. Wie das funktioniert, sehen wir uns weiter unten im Beitrag an.

Definition: Was ist das SORKC-Modell?

Das SORKC-Modell wurde von Kanfer und Saslow 1969 entwickelt und gilt als Erweiterung des operanten Konditionierens von B. F. Skinner. Das SORKC-Modell wird in der Verhaltenstherapie und mittlerweile im Coaching eingesetzt. Im Einklang mit der Verhaltenstherapie geht das Modell davon aus, dass jedes (Problem-) Verhalten durch ein zunächst unbekanntes Netz von Bedingungen ausgelöst und aufrechterhalten wird (Kanfer, Reinecker & Schmelzer, 2006). Dabei gibt es fünf Faktoren, die dazu führen, dass wir (problematische) Verhaltensweisen erlernen, immer wieder anwenden und dadurch aufrechterhalten.

Die 5 Faktoren im SORKC-Modell

SORKC-Modell Kanfer

Das SORKC-Modell steht als Akronym für:
S = Stimulus: Die das Verhalten auslösende Bedingung. Unterschieden wird zwischen einer inneren und äußeren Reizsituation.

O = Organismusvariable: Die individuellen biologischen und lerngeschichtlichen Ausgangsbedingungen bzw. Charakteristika der Person auf den Stimulus.

R = Reaktion bzw. Verhalten: Reaktion auf den Stimulus, nach der Verarbeitung auf der kognitiven, motorischen, vegetativen und affektiven Ebene.

K = Kontingenz: Regelmäßigkeit des Auftretens der Konsequenz nach der Reaktion.

C = Consequence: Konsequenzen der Reaktion, im Sinne einer Verstärkung oder Bestrafung.

Beispiele vom SORKC-Modell

Das SORKC-Modell kann auf unterschiedliche Situationen in unserem Alltag angewendet werden, um unser Verhalten zu analysieren. Nachfolgend sind zwei Beispiele aufgeführt. Einmal ein Beispiel im klinischen Kontext und einmal ein Beispiel für ein Coaching:

SORKC-Modell Beispiel Zwangsstörung

SORKC-Modell bei einer Zwangsstörung

  • S: Die Person verlässt ihre Wohnung (externe auslösende Situation).
  • O: Die Person macht sich generell über vieles Sorgen und grübelt viel
  • R(kognitiv): Beim Verlassen des Hauses denkt die Person: „Das Haus könnte abbrennen, wenn ich vergessen habe den Herd auszuschalten oder wenn ein Kabel durchbrennt.“
  • R(emotional): Angst, starke Beunruhigung.
  • R(physiologisch): Anspannung, Unruhe.
  • R(motorisch): Daraufhin geht die Person zurück in die Wohnung, kontrolliert den Herd und sucht alle Räume ab, ob auch wirklich alle Stecker gezogen sind.
  • K: Wenn die Person Ihre Wohnung kontrolliert (R), ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sie sich direkt entspannt (C-/).
  • C-/(kurzfristig): In der Konsequenz (C) reduziert sich bei der Person die Anspannung. Zeitgleich wird jedoch der Kontrollzwang (R(motorisch)) verstärkt. Daher wird die Reduktion der unangenehm empfundenen Spannung als negative Verstärkung (C-/) bezeichnet, weil sich dadurch die Häufigkeit des Kontrollierens verstärkt.
  • C+/(langfristig): Der Patient vermeidet aus dem Haus zu gehen und verliert dadurch soziale Kontakte.
SORKC-Modell Beispiel Stress

SORKC-Modell in Stresssituation

  • S: Die Person soll vor einer Gruppe einen Vortrag halten (externe auslösende Situation).
  • O: Die Person fühlt sich oftmals unsicher und hat eine leiste Stimme.
  • R(kognitiv): Beim Gedanken an den Vortrag: „Ich könnte mich versprechen oder einen Black-Out haben. Die anderen werden mich dann auslachen und nicht ernst nehmen.
  • R(emotional): Angst, starke Beunruhigung.
  • R(physiologisch): Anspannung, Unruhe.
    R(motorisch): Daraufhin sagt die Person den Vortrag ab.
  • K: Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, sich nach dem Absagen (R) zu entspannen (C-/).
  • C-/(kurzfristig): In der Konsequenz (C) reduziert sich bei der Person die Anspannung. Zeitgleich wird jedoch das Verhalten, Vorträge vor einer Gruppe abzusagen (R(motorisch)), verstärkt. Daher wird die Reduktion der unangenehm empfundenen Spannung als negative Verstärkung (C-/) bezeichnet, weil sich dadurch die Häufigkeit des Vermeidens verstärkt.
  • C+/(langfristig): Die Person vermeidet es vor mehreren Leuten zu sprechen und wird dadurch noch unsicherer in sozialen Situationen.

Verhaltensanalyse mit dem SORKC-Modell

Tuschen-Caffier und von Gemmeren (2009) empfehlen für die Durchführung einer Verhaltensanalyse nach dem SORKC-Modell folgendes Vorgehen:

  1. Problemverhalten (R) beschreiben
  2. Situationsmerkmale (S) beschreiben
  3. Verhaltenskonsequenz (C) & Kontingenz (K) analysieren
  4. Organismusvariablen (O) einbeziehen

1. Problemverhalten (R) beschreiben

Der erste Schritt besteht darin, das unerwünschte Problemverhalten (z.B. Wutanfälle oder Panikattacken) in einer konkreten Situation möglichst präzise zu beschreiben. Dabei wird das Verhalten auf verschiedenen Verhaltensebenen analysiert:

  • Motorische Ebene: Was haben Sie konkret gemacht?
  • Emotionale Ebene: Wie haben Sie sich währenddessen gefühlt?
  • Physiologische Ebene: Welche körperlichen Veränderungen haben Sie währenddessen wahrgenommen?

2. Situationsmerkmale (S) beschreiben

Als nächstes werden die Situationsmerkmale gesammelt, die dem Problemverhalten vorausgehen. Hierbei wird zwischen internen (Si) und externen Bedingungen (Se) unterschieden:

  • Interne Bedingungen: Z.B. Gedanken (z.B. „Ich schaffe das nicht!“), Gefühle (z.B. Angst) und körperliche Veränderungen (z.B. Anspannung).
  • Externe Bedingungen: Z.B. Physikalische Umweltfaktoren wie eine erhöhte Raumtemperatur oder soziale Merkmale, wie die Anwesenheit anderer Personen in einem Raum oder kritische Bemerkungen des Vorgesetzten.

Zusammenhang zwischen Stimulus (S) und Reiz (R)

Weiterhin sollte die sog. Stimulusqualität bestimmt werden. Also wie der Stimulus (S) und der Reiz (R) zusammenhängen. Dabei kann der Zusammenhang klassisch konditioniert, unkonditioniert (d.h. reflektorisch, biologisch determiniert) oder durch Reizdiskriminationslernen vermittelt sein. Dementsprechend kann der Stimulus jeweils eines der folgenden Merkmale einnehmen:

  • Konditionierter Stimulus (CS)
  • Unkonditionierter Stimulus (UCS) oder
  • Diskriminativer Hinweisreiz

Der diskriminativer Hinweisreiz kann das Situationsmerkmal bzw. der Stimulus das Problemverhalten sowohl fördern oder hervorrufen (SD) als auch hemmen und verhindern (Hautzinger, 2011).

3. Verhaltenskonsequenz (C) analysieren

Was auf unser Verhalten folgt, kann den Zeitpunkt, die Häufigkeit, die Intensität, die Dauer sowie die Stabilität von unserem Problemverhalten beeinflussen (Neudeck & Mühlig, 2013). Daher ist es wichtig zu betrachten, welche Folgen das Verhalten hat. Hierbei erfolgt die Analyse der Konsequenzen in der Regel anhand von 3 Dimensionen:

  1. Zeitpunkt des Eintretens: Kurzfristige vs. Langfristige Konsequenz
  • Kurzfristige Konsequenz (Ck) = Hohe Kontiguität, d.h. die Konsequenz erfolgt unmittelbar auf das Verhalten
  • Langfristige Konsequenz (Cl) = Geringe Kontiguität, d.h. die Konsequenz tritt zeitlich verzögert auf

 

  1. Entstehungsort: Interne vs. Externe Konsequenz
  • Interne Konsequenz (Ci) = Intern entstehend, z.B. Selbstbewertung oder körperliche Reaktion
  • Externe Konsequenz (Ce) = Aus der Umwelt stammend, z.B. Aufmerksamkeit erfahren

 

  1. Qualität der Konsequenz: Positive vs. Negative Verstärkung & Direkte vs. Indirekte Bestrafung
  • Positive Verstärkung (C+) = Eintreten einer positiven Konsequenz; z.B. Aufmerksamkeit erfahren
  • Negative Verstärkung (C-) = Wegfall einer negativen Konsequenz, z.B. Anspannung lässt nach
  • Direkte Bestrafung (C-) = Eintreten einer negativen Konsequenz, z.B. Strafarbeit
  • Indirekte Bestrafung (C+) = Wegfall einer positiven Konsequenz, z.B. Reduktion der Aufmerksamkeit

 

Da die kurzfristigen Konsequenzen im Vergleich zu den langfristigen Konsequenzen deutlich verhaltenswirksamer sind (Evans et al., 1978; Lundberg et al., 1975) ist hilfreich die kurzfristigen Konsequenzen des Problemverhaltens genauer zu betrachten.

3.1. Kontingenz (K) analysieren

Bei der Kontingenzanalyse wird untersucht, wie sehr das Problemverhalten mit bestimmten Verhaltenskonsequenzen und situativen Bedingungen verknüpft ist. Die Analyse umfasst hierbei die Kontingenz und die Kontiguität des Verhaltens. Man unterscheidet:

Geringe Kontingenz vs. Hohe Kontingenz

  • Geringe Kontingenz = Konsequenz tritt verzögert auf. Beispielweise nur auf jede x-te Äußerung des Verhaltens folgt die Konsequenz
  • Hohe Kontingenz = Auf ein Verhalten folgt immer eine bestimmte Konsequenz

Geringe Kontiguität vs. Hohe Kontiguität

  • Geringe Kontiguität = Konsequenz tritt verzögert auf
  • Hohe Kontiguität = Auf ein Verhalten folgt unmittelbar eine Konsequenz

4. Organismus­variablen (O) einbeziehen

Im letzten Schritt werden diejenigen Faktoren betrachtet, die zwischen der vorausgehenden Situation und dem Problemverhalten moderierend einwirken. Hierzu zählen:

  • Biologisch-physiologisch-medizinische Faktoren: Z.B. körperliche Erkrankungen oder genetische Prädispositionen
  • Persönlichkeits- & kognitive Faktoren: Z.B. Einstellungen, Kontroll- und Grundüberzeugungen, Schemata und Persönlichkeitsmerkmale, Intelligenz und Selbstkonzept

Quellen

  • Hautzinger, M.: Mirko-Verhaltensanalyse; in Linden M, Hautzinger, M. (eds): Verhaltenstherapiemanual. Berlin, Springer, 2011, pp 217–221.
  • Kanfer, F.H. & Saslow, G. (1969). Behavioral diagnosis. In C.M. Franks (Ed.), Behavior therapy: Appraisal and status. New York: McGraw-Hill.
  • Kanfer, F. H., Reinecker, H. & Schmelzer, D.: Selbstma- nagement-Therapie: Ein Lehrbuch für die klini- sche Praxis. Heidelberg, Springer, 2006.

  • Tuschen-Caffier B, von Gemmeren B: Problem- und Verhaltensanalyse; in Magraf J, Schneider S (eds): Lehrbuch der Verhaltenstherapie. Band 1. Grund- lagen, Diagnostik, Verfahren, Rahmenbedingungen. Heidelberg, Springer, 2009, pp. 364–375.

Leon Pobuda
Psychologe & Coach

Herr Pobuda ist Experte für Business Coaching, Health Coaching & Life Coaching

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